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Erklärung von Frank Schäffler am 10. Juni 2011
12. Juni 2011: Steffen Krug in Allgemein

Erklärung nach § 31 GOBT
zu TOP 28
Entschließungsantrag
der Fraktionen der CDU/CSU und FDP
zu der Abgabe einer Regierungserklärung durch den Bundesminister der Finanzen
„Stabilität der Eurozone sichern – Reformkurs in Griechenland vorantreiben“
Drucksache 17/6163
10. Juni 2011
Am 11. Februar 2010 haben die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union
gemeinsam geschaffenes und von allen Staaten der EU ratifiziertes Recht und damit
Europäisches Recht kollektiv gebrochen.
Es wurde angekündigt, dass man Griechenland auf jeden Fall finanziell helfen werde, falls es
Griechenland im April und Mai 2010 nicht gelingen sollte, sich zu ausreichend niedrigen
Kosten am Kapitalmarkt zu refinanzieren. Damit haben die Staats- und Regierungschefs am
11. Februar 2010 den Bruch der No-Bail-out-Klausel im Vertrag über die Arbeitsweise der
Europäischen Union (AEUV) verkündet. Am 7. Mai 2010 erklärte die Bundeskanzlerin, hier
im Deutschen Bundestag, dass die Griechenland-Hilfe eine einmalige Hilfe sei, die absolute
Ausnahme und sonst nichts.
Als der Deutsche Bundestag am 21. Mai 2010 das sogenannte Euro-Rettungspaket, den
vielzitierten Rettungsschirm, verabschiedete, wurde hier im Deutschen Bundestag erklärt,
dass ohnehin niemand unter diesen Schirm flüchten werde. Lediglich die Finanzmärkte
müssten durch ein starkes Zeichen beruhigt werden. Heute drängeln sich bereits Irland und
Portugal unter diesem Schirm, Griechenland soll folgen. Im Herbst diesen Jahres soll er
mangels Kapazität in seinem Ausleihvolumen weiter erhöht werden. Noch am 27. Oktober
2010 erklärte die Bundeskanzlerin zur Dauer des Rettungsschirms:
„Er läuft 2013 aus. Das haben wir auch genau so gewollt und beschlossen. Eine
einfache Verlängerung kann und wird es mit Deutschland nicht geben, weil der
Rettungsschirm nicht als langfristiges Instrument taugt, weil er Märkten und
Mitgliedstaaten falsche Signale sendet und weil er eine gefährliche
Erwartungshaltung fördert. Er fördert die Erwartungshaltung, dass Deutschland und
andere Mitgliedstaaten und damit auch die Steuerzahler dieser Länder im Krisenfall
schon irgendwie einspringen und das Risiko der Anleger übernehmen können.“
Vier Wochen später galt dieses alles nicht mehr. Und es wurde dann sogar am 11. März
2011 ein Weg zur „Änderung des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union
hinsichtlich eines Stabilitätsmechanismus für die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist – Ratsdok. 17620/10 (EUCO 30/10, Anlage I)“ eingeschlagen. Dieser Weg ist erstens ein
Weg zur Ausweitung des bestehenden Euro-Rettungsschirms, die der Deutsche Bundestag
nie wollte. Dieser Weg ist zweitens ein Weg zur unbefristeten Verlängerung des EuroRettungsschirms, die der Deutsche Bundestag nie wollte. Schließlich ist dieser Weg drittens
ein Weg zur qualitativen Veränderung der Europäischen Wirtschaftsverfassung, die der
Deutsche Bundestag nie wollte.
Heute befassen wir uns mit einer zweiten Griechenland-Hilfe. Aller Bekundungen zum Trotz
hat bereits die erste Griechenland-Hilfe vor einem Jahr die Situation für Griechenland nicht
entschärft, sondern verschärft. Es ist eingetreten, was die Bundeskanzlerin angekündigt hat.
Durch die Griechenland-Hilfe haben wir den Märkten falsche Signale gesendet. Wir haben
die Erwartungshaltung gefördert, dass Deutschland und damit auch seine Steuerzahler im
Krisenfall schon irgendwie einspringen. Wir haben die berechtigte Hoffnung geweckt, dass
der Staat das Risiko der Anleger übernehmen wird.
Der Erwerb griechischer Anleihen ist dadurch zum Geschäftsmodell geworden. Wir ändern
daran nichts, sondern verstetigen im Gegenteil mit der weiteren Subventionierung der
Anleihegläubiger das Geschäftsmodell. Wir perpetuieren die Erwartungshaltung. Wir erhalten
die berechtigte Hoffnung, dass der Staat das Risiko der Anleiheinhaber übernimmt. Nichts
von dem wird dadurch geändert, dass wir die Gläubiger über die versprochene Prolongation
beteiligen. Die Anleiherenditen werden immer noch überdurchschnittlich sein. Mit dem Kauf
von Anleihen erwirbt man die hohe Rendite entsprechend dem griechischen Insolvenzrisiko,
ohne dass dieses Risiko zu tragen ist.
Bedrohlicher noch ist der Blick über die griechische Situation hinaus. Was wir anhand des
griechischen Beispiels vorexerzieren, werden die Marktteilnehmer zu deuten wissen. Wir
werden die Nutzung des gleichen Geschäftsmodells demnächst bei Schuldtiteln aus Zypern
erleben. Zypern ist klein. Wir werden die Nutzung des gleichen Geschäftsmodells
anschließend bei Anleihen aus Italien und Spanien erleben. In allen drei Ländern sinkt die
Sparquote. In Zypern und Italien ist sie bereits negativ. In allen drei Ländern existieren hohe
Leistungsbilanzdefizite. Fallende und schließlich negative Sparquoten bei hohen
Leistungsbilanzdefiziten gingen jeweils dem Bankrott in Griechenland und Portugal voraus.
Wenn wir die Subventionierung der Anleihegläubiger Griechenlands nicht beenden, werden
wir in kurzer Zeit im Bundestag zusammenkommen, weil wir erneut vor der gleichen
Situation stehen. Dann aber werden es Spanien und Italien sein, die Hilfe suchend den Blick
nach Norden richten. Angesichts der wirtschaftlichen Größe beider Länder kann sich jeder
ausmalen, was das für den Euro bedeuten wird. Der Preis, den wir für den im Februar des
Jahres 2010 eingeschlagenen und heute weiter beschrittenen falschen Weg zu bezahlen haben werden, ist hoch. Viel zu hoch. Er kostet den Euro und dadurch vielleicht die
europäische Einigung.
Es ist höchste Zeit und vielleicht schon zu spät, um umzukehren und endgültige Lösungen
zu diskutieren. Wir müssen uns trauen, die einzigen möglichen Wege, die Griechenland
wirklich helfen, zu gehen. Wir müssen uns endlich eingestehen, dass wir es mit einer
pathologischen Überschuldung von Staaten und Banken zu tun haben. Wir müssen uns
endlich eingestehen, dass das staatliche Geldsystem zu einer Überschuldungskrise von
Staaten und Banken geführt hat. Wir ignorieren die Krankheit unseres staatlichen
Geldsystems, in dem Geld und Kredit aus dem Nichts geschaffen werden. Dieses
Geldsystem hat ein Schneeballsystem aus ungedeckten, zukünftigen
Zahlungsverpflichtungen geschaffen. Wie jedes Schnellballsystem wird es früher oder später
in sich zusammenbrechen.
Wir befinden uns auf dem Weg in die Knechtschaft. Dieser führt uns von Intervention zu
Intervention spiralenförmig abwärts. An seinem Ende erwartet uns ein planwirtschaftliches
Europa. Mit dem planwirtschaftlichen Europa kommt die Vollendung seines ökonomischen
Verfalls. Ökonomischer Verfall führt zur Unzufriedenheit bei den betroffenen Menschen. Die
schlimmen politischen Folgen ökonomischer Unzufriedenheit sehen wir in Dänemark, das
seine Grenzen schließt. Statt eines Europas mit Grenzen für Güter und Menschen brauchen
wir ein marktwirtschaftliches Europa mit Freihandel und gesundem Geld. Nur so erhalten wir
ein Europa der Freiheit.
Berlin, den 10. Juni 2011
Frank Schäffler, Sylvia Canel, Jens Ackermann