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Eintrag ins Geschichtsbuch per Zeitungsinserat: Das Finanzsystem ist nicht zu retten
05. Juni 2010: Steffen Krug in Allgemein

Gastbeitrag von Kristof Berking, übernommen mit freundlicher Genehmigung vom ef-Magazin

Seit dem Westfälischen Frieden 1648, als die Schweizerische Eidgenossenschaft aus dem Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation ausschied und sich immerwährende Neutralität schwor, ist es gewiss nicht all zu oft vorgekommen, dass ein Schweizer Bürger einem deutschen Reichstags- beziehungsweise Bundestagsabgeordneten unter Einsatz beträchtlicher finanzieller Mittel Gehör verschafft. Vielleicht ist es auch ein wenig der innerschweizerischen Diskussion um einen EU-Beitritt geschuldet, wenn der Leser der „Neuen Zürcher Zeitung“ am 5. Juni 2010 im ersten Bund auf Seite 17 eine halbseitige Anzeige vorfand unter der plakativen Überschrift: „Das Finanzsystem muss nicht gerettet werden“, Komma.

Nanu, denkt der neugierig gewordene Leser, und erfährt in der nächsten Zeile: „das Finanzsystem ist das Problem!“ Der Versuch, die herrschende Papiergeldordnung um jeden Preis zu retten, sei fatal und nicht alternativlos. Es folgt der volle Wortlaut der persönlichen Erklärung, mit der der Bundestagsabgeordnete Frank Schäffler am 21. Mai seine Ablehnung des 750-Milliarden-Rettungspaketes für überschuldete Euro-Staaten im Bundestag begründete. Auftraggeber der Anzeige ist ein Schweizer Kaufmann aus Bern, Johannes Müller.

Die Erklärung des MdB Schäffler, die bei ef-online und auf zahlreichen anderen Blogs bereits dokumentiert wurde, enthält eine glasklare Analyse der tieferen Ursachen der Finanz- und Wirtschaftskrise. Die Kenner der Geld- und Konjunkturtheorie der Österreichischen Schule der Ökonomie (Mises, Hayek & Co.) finden in diesem, dem Deutschen Bundestag zu Protokoll gegebenen Text alle wichtigen Kritikpunkte genannt, vom Teilreserveprivileg der Geschäftsbanken bis hin zur Störung des Preissystems durch die Zinspolitik der Zentralbanken. Die Wurzel der Krise ist, wie es Johannes Müller in seinem Begleittext zu Schäfflers Erklärung auf den Punkt bringt, „unser planwirtschaftliches Geldsystem“. Wir haben es also, will die Anzeige sagen, mit einer Geldsystemkrise zu tun, und nicht etwa mit einem Versagen des Finanzmarktes, dessen man durch eine stärkere Reglementierung Herr werden könnte. Letztere Deutung beherrscht indes immer noch die öffentliche Diskussion.

Als unlängst in einer Talk-Runde bei Anne Will im Ersten Deutschen Fernsehen Claus Vogt, Autor des Buches „Die Inflationsfalle“ und Kolumnist von eigentümlich frei, erläutern wollte, wie die Geldpolitik, das heißt die künstlich niedrigen Zinsen der Zentralbank, zu Fehlinvestitionen führen, die nach einem solchermaßen entfachten Scheinboom zwangsläufig liquidiert werden müssen und so stets unvermeidlich in eine Rezession münden, beendete die Star-Moderatorin seine Ausführungen mit dem Satz, das sei ihr „zu kompliziert“. Einem einzigen Bundestagsabgeordneten – immerhin einem – ist dieser einfache Zusammenhang nicht zu schwierig, und er hat den Mut, seinem eigenen Gewissen zu folgen und sich gegen den kurzsichtigen Bail-Out der Banken und des Papiergeldsystems zu stellen, um den es sich letztlich bei dem Hilfspaket für die PIIGS-Staaten handelt. Diesem Mut möchte Johannes Müller mit seiner Anzeige Respekt zollen, denn es ist immer bequemer, mit der Masse zu irren, als alleine Recht zu haben. Müller möchte die Erklärung Schäfflers auch fürs „Geschichtsbuch“ festgehalten wissen, was wohl so viel heißen soll wie: Es entschuldige sich in ein paar Jahren keiner damit, dass doch alle geglaubt hätten, die Rettung des Papiergeldsystems sei „alternativlos“ gewesen. Dass der Versuch der Rettung mit noch mehr aus dem Nichts geschöpften Kreditgeld scheitern muss, ja, dass er die Fallhöhe sogar noch erhöht, kann man jetzt schon, 2010, wissen.

Aber was ist denn eigentlich die Alternative zur Rettung des herrschenden Finanzsystems? Das deutet der kurze Text Schäfflers nur an, doch weiß der Abgeordnete wohl darauf zu antworten, wenn man ihn nur einmal danach fragen würde. Falls die Anzeige dazu führt, dass man Schäffler einmal mehr ein Mikrofon hinhält oder gar zu den Talkrunden über die Finanzkrise einlädt, hat sie ihren Zweck erfüllt. Dann versteht vielleicht auch Anne Will, warum die monetäre Planwirtschaft, in der wir spätestens seit Aufgabe der letzten rudimentären Golddeckung des Dollars 1971 leben, ein äußerst fragwürdiges Experiment ist, über das man eine Diskussion zulassen sollte.

Die Geldsystemfrage wird in den nächsten Jahren so oder so auf die Tagesordnung kommen, denn die kolossale Überschuldung, die das System der Kreditgeldschöpfung ermöglicht hat, macht am Ende einen Schnitt unausweichlich. Dann werden sich die Verantwortlichen von heute Frank Schäfflers weitsichtige Erklärung vom 21. Mai oder ihre Publizierung in der „NZZ“ vom 5. Juni 2010 beschämt vorhalten lassen müssen. Auch das Platzen der Immobilienblase 2007/2008 hatten Vertreter der Österreichischen Schule der Ökonomie lange vorausgesagt. So hatte der amerikanische Kongreßabgeordnete Dr. Ron Paul am 10. September 2003 vor dem Finanzausschuss des Kongresses – mit demselben Wortlaut sogar bereits ein Jahr zuvor vor dem Repräsentantenhaus – mit präziser und, wie heute alle wissen, richtiger Begründung auseinandergesetzt, warum die Niedrigzinspolitik der FED und die Häuser-für-jedermann-Politik der Regierung zu einem Desaster führen müsse.

Nach seinen atemberaubenden Erfolgen im Präsidentschaftswahlkampf 2007/2008 wurde Ron Paul, wie er gerne erzählt, auf den Gängen und Fluren des Kapitols immer wieder von anderen Abgeordneten, die ihn vorher ignorierten, in kollegialem Ton vertraulich angesprochen, ob er eine neue PR-Strategie anwende und welche Agentur er beschäftige. Tatsächlich beschäftigte Ron Paul gar keine Agenturen oder Spindoktoren, und den über seinen Erfolg rätselnden Berufspolitikern antwortete er immer, was auch Frank Schäffler in Deutschland seinen Kollegen sagen kann, wenn sie wissen wollen, wie er es denn bloß schaffe, dass wildfremde Leute seine Erklärungen in Weblogs und sogar bezahlten Zeitungsanzeigen verbreiten: „Es reicht, die Wahrheit zu sagen.“

Internetquellen:

Anzeige in der Neuen Zürcher Zeitung vom 5. Juni 2010

Frank Schäfflers persönliche Erklärung im Original

Johannes Müller: „Gold als Schlüssel zur Freiheit“

Claus Vogts Kolumnen in „eigentümlich frei“

Dr. Ron Pauls Warnung vor der Immobilienblase vorm Finanzausschuss des US-Kongresses im September 2003

Internetführer zur „Ron Paul Revolution“

Frank Schäfflers Beiträge bei „eigentümlich frei“

Thorsten Polleit und Michael von Prollius: „Geldreform – Vom schlechten Staatsgeld zum guten Marktgeld“